Anmerkungen zum Läutewinkel

Nachdem von der Initiative Probell bzw. der Fraunhofer-Gesellschaft Untersuchungen durchgeführt worden waren, hat man publiziert, dass eine Erhöhung des Läutewinkels um 1° die zu erwartende Lebensdauer bis zum Ermüdungsbruch einer Glocke um 14% reduziert. Diese Aussage ist inzwischen unter Glockenfachleuten bekannt, wird aber oft missverstanden oder fehlinterpretiert. Es hat den Anschein, dass die bisher übliche Melodie "Unsere Klöppel sind zu schwer" durch "Unsere Läutewinkel sind zu hoch" abgelöst wurde. Amüsant ist nun, dass die Forderungen nach einem möglichst niedrigen Läutewinkel und nach einem möglichst leichten Klöppel einander prinzipbedingt widersprechen. Nachfolgend soll kurz versucht werden, den Sachverhalt zu verdeutlichen. Ferner werden einige beispielhafte Aussagen auf ihren Wert geprüft.

Wenn man eine Glocke mit einem Klöppel betrachtet, dann ist die Sache klar. Je höher der Läutewinkel ist, desto größer ist die Belastung des Schlagrings und desto geringer die Lebenserwartung der Glocke. Nicht mehr und nicht weniger haben o. g. Experimente in Bezug auf den Läutewinkel gezeigt. Der Läutewinkel ist nun aber nicht das einzige Kriterium, wie folgendes Diagramm zeigt:

Das Massenträgheitsmoment des Klöppels spielt eine ebenso große Rolle wie der Läutewinkel. Die Betrachtung des Läutewinkels allein ist nur sinnvoll, wenn das Trägheitsmoment des Klöppels konstant bleibt, also derselbe Klöppel dieselbe Glocke anschlägt. Sobald man einen anderen Klöppel in die Glocke hängt, kann unter Umständen ein kleinerer Läutewinkel die Glocke stärker belasten als vorher, wenn nämlich durch ein höheres Trägheitsmoment des Klöppels die Energie und der Impuls größer als vorher sind. Vergleicht man gar zwei unterschiedliche Glocken nur anhand des Läutewinkels, dann muss das vollends in die Hose gehen.

Dazu einige Aussagen:

Längerfristig wird man um einen rechnerischen Nachweis der "Unbedenklichkeit" eines gegebenen Klöppels bei einem gegebenen Läutewinkel nicht herumkommen, wenn Glocken vor Schaden bewahrt werden und eine hohe Lebenserwartung haben sollen. Die Betrachtung des Läutewinkels allein ist dazu ebenso untauglich wie die Betrachtung der Klöppelmasse allein. Ein denkbarer Weg wäre folgender: Man begrenzt den Impuls des Klöppels auf einen Maximalwert, der von Glockengrößen (Schlagringstärke, Schärfendurchmesser) abhängt:

[rKSp = Abstand Klöppelachse-Stoßpunkt]

Die Ermittlung einer geeigneten Funktion zur Bestimmung des maximal zulässigen Impulses ist allerdings ein Problem, das noch zu lösen ist.

© 2007 J. Grabinski